Rede zum Antrag der Linken: Grundrechte für alle

ZP 8

Rede der Abgeordneten Esther Dilcher (SPD) zum Antrag der Linken: Grundrechte für alle

Sehr geehrte/r Frau/Herr Präsident/in,

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

 

Die Fraktion der Linken fordert mit ihrem Antrag „Grundrechte für alle“.

Dazu muss man sich zunächst die Systematik unserer deutschen Verfassung, dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, ansehen.

Dem GG vorangestellt wurde die Präambel…Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben.

Damit wurden zentrale Anliegen aufgrund der Historie, die den Entstehungsvorgang im Jahr 1949 und die Hintergründe der Wiedervereinigung von 1990 ausmachten, manifestiert.

Die Verfassung gilt aber nicht nur für Deutsche, sondern auch für Ausländer, mit einigen Ausnahmefällen.

Grundsätzlich soll die Verfassung eines Landes die Rechte und Pflichten der Staatsbürger regeln.

Diese sind auch aufgerufen, ihre Verfassung zu schützen.

So sieht Art 20 Abs. 4 vor…gegen jeden, der es unternimmt, diese (verfassungsmäßige) Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Dies verstehe ich auch im Umkehrschluss als Auftrag jedes Bürgers und jeder Bürgerin tätig zu werden, wenn die verfassungsgemäße Ordnung in Gefahr ist.

Grundrechte gibt es daher für alle, aber nicht alle Grundrechte für alle.

Als Verfassung versteht man ein zentrales Rechtsdokument eines Staates, in dem die Organisation des Staatsaufbaus, die territoriale Gliederung, die Rechte und Pflichten seiner Bürger festgelegt sind.

Grundrechte in unserer Verfassung sind also zum einen Bürgerrechte und andererseits Menschenrechte für alle, die in Deutschland leben.

Art. 1 Menschenwürde, Art. 2 Selbstbestimmung, Art. 3 Gleichheit, Art. 4 Glauben, Art. 5 Meinung, Art. 6 Ehe und Familie, Art. 7 staatliches Schulwesen, Art. 10 Briefgeheimnis,

Art. 13 Unverletzlichkeit der Wohnung, Art. 14 Eigentum, (Überführen in Gemeinwirtschaft Art. 15), Art. 16 Schutz vor Ausbürgerung, Art. 16a Asylrecht, Art. 17 Petitionsrecht, Art. 18 Verwirkung von Grundrechten bei Missbrauch.

In diesen „Jedermann-Grundrechten“ werden überwiegend Grundhaltungen und Werte der Verfassung geschützt.

Art. 8 garantiert die Versammlungsfreiheit für alle Deutschen.

Art. 9 gewährt allen Deutschen das Recht, Vereine und Gesellschaften zu gründen.

Gemäß Art. 11 genießen alle Deutschen im ganzen Bundesgebiet Freizügigkeit.

Aus Art. 12 folgt die Berufsfreiheit für alle Deutschen.

Diese Artikel nennt man daher auch „Deutschen-Grundrechte“.

Daraus folgt jedoch nicht, dass Nicht-Deutsche diese Rechte in der Bundesrepublik Deutschland nicht geltend machen könnten.

Dem ist nämlich nicht so, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Allerdings haben diese Rechte für Deutsche Verfassungsrang und können mit der

Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden.

Für Nicht-Deutsche lassen sich Rechte auf Versammlungsfreiheit, Vereinigungsfreiheit, das Recht auf Freizügigkeit und die Berufsfreiheit aber aus einfach gesetzlichen Regelungen ableiten und auch gerichtlich überprüfen.

Möglich ist auch in diesem Zusammenhang die Verletzung von Art. 2 GG geltend zu machen.

Mit ihrem Antrag suggeriert die Linke, dass andere Menschen hier nicht die gleichen Rechte

haben wie Deutsche, dass sie kein Recht hätten, sich zu versammeln, also zu demonstrieren; Vereinigungen zu bilden; sich in Deutschland frei zu bewegen oder ihren Beruf frei auszuüben.

Das ist nicht nur unzutreffend, sondern befeuert eine Debatte, die völlig überflüssig ist.

Seit Entstehen des GG wurden zahlreiche übernationale Abkommen, Vereinbarungen,

Konventionen beschlossen, die einen umfassenderen Schutz gewähren und nationalen Regeln übergeordnet sind bzw. Vorrang haben. Wie die Antragsteller selbst ausführen, sind diese Grundrechte in der UN-Menschenrechtscharta auch als Menschenrechte ausgestaltet, ebenso in internationalen Abkommen wie in der Europäischen Menschenrechtskonvention, im UN-Zivilpakt und im UN-Sozialpakt. Dazu bekennen wir uns als Sozialdemokraten ausdrücklich. 

Der politische Hintergrund für diesen Antrag wird damit begründet, dass die vorgeschlagene Grundgesetzänderung ein Bekenntnis Deutschlands gegen Diskriminierung von Menschen mit Migrationshintergrund und Geflüchteten darstelle.

Damit eilen die Antragsteller jedoch weit über das von ihnen beabsichtigte Ziel hinaus, wenn die sogenannten Deutschen-Grundrechte zu Jedermann-Grundrechten umgewandelt würden.

Wir bekennen uns als Sozialdemokraten zu der Forderung, dass wir Deutschen immer wieder wichtige Zeichen gegen rassistische Hetze und für eine offene und vielfältige Gesellschaft setzen müssen.

Auch verteidigen wir die bestehenden Jedermann-Grundrechte, insbesondere das Grundrecht auf Asyl.

Gleichzeitig respektieren wir aber Sinn und Zweck einer nationalen Verfassung, die bestimmte Grundrechte auf konkrete Handlungen und Tätigkeiten des Einzelnen an die Staatsangehörigkeit des Handelnden knüpft.

Wie populistisch der Antrag von den LINKEN ist, zeigt sich für uns auch daran, dass Art. 20 weiterhin ein „Deutschen-Grundrecht“ bleiben soll und damit nur Deutschen das Recht und die Pflicht zur Verteidigung des Grundgesetzes eingeräumt und auferlegt wird. Warum liebe Kolleginnen und Kollegen soll ausgerechnet das so bleiben? Haben Sie so weit nicht gelesen?

Aus Sinn und Zweck und vor dem historischen Hintergrund des Grundgesetzes als einer Staatsverfassung ist daher für uns eine Unterscheidung zwischen Deutschen-Grundrechten bzw. Bürgerrechten und Menschenrechten gerechtfertigt und soll so beibehalten werden.

Daher lehnen wir den Antrag der Linken ab.

Meine Damen, meine Herren, ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!