Die SPD-Bundestags- und Landtagsabgeordneten im Landkreis Kassel, Esther Dilcher, Timon Gremmels, Manuela Strube und Oliver Ulloth, fordern die DB Netz AG auf, die Sollingbahn (Altenbeken – Nordheim – Nordhausen) weiterhin als Alternativstrecke zur ‚Kurve Kassel‘ fair, transparent und nachvollziehbar zu vergleichen. „Auf Wunsch des Runden Tisches zur ‚Kurve Kassel‘ hat die DB Netz AG eine alternative Streckenführung über die ausgebaute und modernisierte Sollingbahn überprüfen lassen“, erläutert Dilcher. Dabei sei die grundsätzliche technische Machbarkeit dieser alternativen und kürzeren Trassenführung festgestellt worden. Für die Umsetzung seien Gesamtkosten in Höhe von 495 Mio. Euro ermittelt und den Teilnehmern des Runden Tisches mitgeteilt worden. Gleichzeitig gehe die DB Netz AG davon aus, dass der schienengebundene ÖPNV auf der Sollingbahn auch in den nächsten Jahren weiterhin im Status quo bestehen bleiben solle.
„Wir wurden darauf hingewiesen, dass entlang der Sollingbahn in den nächsten Jahren altersbedingte Sanierungs- und Ertüchtigungsmaßnahmen anstehen, deren Kosten seitens der DB Netz AG zunächst nicht näher beziffert wurden. Diese Kosten entstehen vollkommen unabhängig von einer möglichen Verlagerung der ‚Kurve Kassel‘, müssen also aus der Gesamtsumme von 495 Mio. herausgerechnet werden“, fordert Gremmels. Um einen fairen Kostenvergleich anstellen zu können, wollen die Abgeordneten genau wissen, welche Instandhaltungskosten in den nächsten 20 Jahren zum Erhalt der Sollingbahn anfallen, allein um die derzeitige Nutzung der Strecke beizubehalten und dauerhaft sicherzustellen. „Ganz besonders interessiert uns, welche altersbedingten Ertüchtigungen und Sanierungen an Brückenbauten und Tunnelanlagen entlang dieser Strecke ohnehin anstehen, und mit welchen Kosten hierfür zu rechnen ist“, erklärt Strube. Zudem wolle man erfahren, welche Tunnelanlagen in diesem Zeitraum einer grundhaften Sanierung unterzogen oder gar vollkommen neu errichtet werden müssten, um beispielsweise den heutigen Brandschutzauflagen gerecht zu werden, und mit welchen Kosten hierfür zu rechnen sei.
Erst im Nachgang zum vergangenen Webinar wurde den Teilnehmern des Runden Tisches auf Nachfrage eine erste Berechnung der sog. ‚Sowieso‘-Kosten im Bereich der Sollingbahn vorgelegt, wonach bereits jetzt die Investitionskosten von 495 Mio. Euro nicht mehr aktuell sind, sondern derzeit nur noch 437 Mio. Euro betragen. Die vier Abgeordneten, die ursprünglich mit viel höheren Investitionskosten im Bereich der Sollingbahn gerechnet hatten, schöpfen aus den jetzt vorliegenden Zahlen weiterhin Hoffnung und werden das Zahlenwerk nun weiter auf den Prüfstand stellen. Denn auch im Suchbereich der Kasseler Kurve ist zudem eine deutliche Kostenexplosion nicht unwahrscheinlich. „Eine der von der DB Netz AG im Suchbereich der ‚Kurve Kassel‘ vorgestellten Streckenvarianten umfasst Tunnel mit einer Länge von sechs bis sieben Kilometer, zusätzlich ist eine Flussüberquerung von Nöten“, stellt Gremmels klar. „Andere Varianten erfordern Tunnelneubauten oder technisch anspruchsvolle Überbrückungswege, aber es ist nicht erkennbar, ob alle dafür einzuplanenden Kosten vollständig in den derzeit im Bundesverkehrswegeplan 2030 veranschlagten Ausgaben enthalten sind“, so die Kritik der SPD-Politiker. Ebenso unklar sei, welche zusätzlichen Kosten bei der Umsetzung der ‚Kurve Kassel‘ entstünden, um den nördlichen Zubringerabschnitt (Altenbeken – Warburg – Immenhausen) für den zusätzlichen Zugverkehr einsatzfähig zu machen, technisch und baulich auf den erforderlichen Stand zu bringen, Bahnüber‑ und ‑unterführungen anzupassen oder Lärmschutzmaßnahmen durchzuführen.
Die vier Abgeordneten fordern in den nächsten Monaten, eher Jahren, klare Fakten und Transparenz zu schaffen, bevor nur ein Stein in unserer Region umgedreht wird. „Dazu erwarten wir z.B. Klarheit zu den tatsächlichen Investitionskosten entlang der Sollingbahn, realistische Kostenansätze im aktuellen Suchbereich der geplanten ‚Kurve Kassel‘ und Klarheit bezüglich weiterer anfallender Kosten entlang der Streckenführung jenseits des Suchraumes, also insbesondere im Altkreis Hofgeismar. Erst danach wissen wir wirklich, ob und wie hoch das Investitionsdelta zwischen der Alternativroute und der ‚Kurve Kassel‘ wirklich ist,“ sagt Ulloth. Die Abgeordneten haben deshalb einen umfassenden Fragenkatalog erarbeitet und an Bundesverkehrsminister Scheuer (CSU) geschickt. „Eine seröse Entscheidung wird in dessen Ministerium erst dann zu treffen sein, wenn tatsächlich alle Karten auf den Tisch liegen. Dazu gehören auch die dauerhaft geringeren Betriebskosten der 32km kürzeren Trasse durch den Solling, die man bisher im Bundesverkehrsministerium und seitens der DB Netz AG als zu vernachlässigende Größe bezeichnet,“ so Dilcher.
Außerdem betonen die Abgeordneten, dass die derzeit aufgrund der COVID-19-Pandemie von der DB Netz AG abgehaltenen Videokonferenzen keinen Ersatz für den persönlichen Meinungs‑ und Informationsaustausch am wirklichen Runden Tisch darstellen. „Echte Öffentlichkeitsbeteiligung beginnt für uns erst wieder, wenn sich Menschen tatsächlich gegenübersitzen können“, stellen Dilcher, Gremmels, Strube und Ulloth klar.