Rede der Abgeordneten Esther Dilcher zum GE
Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Persönlichkeitsschutzes bei Bildaufnahmen
Sehr geehrte Frau Präsidentin/
Sehr geehrter Herr Präsident,
verehrte Kolleginnen und Kollegen,
Gegen das Gesetzesvorhaben zum Thema Upskirting, Downblousing und Bildaufnahmen von verletzten und verstorbenen Personen war als Kritik unter anderem eingewandt worden, dass es an eindeutigen Zahlen fehle. Damit wurde die Notwendigkeit einer Regelung indirekt in Frage gestellt.
Ja, verehrte Kolleginnen und Kollegen, zutreffend ist, dass es keine belastbaren Zahlen gibt, aber woran liegt das?
Es liegt nicht daran, dass es solche Vorfälle nicht oder nur in verschwindend geringem Umfang gibt, sondern daran, dass eine Kriminalstatistik nur solche Fälle und Handlungen erfassen kann, die auch unter Strafe gestellt sind. Das war bisher nicht der Fall. Das wollen wir ändern.
Das ist ein Signal an die vielen überwiegend betroffenen Mädchen und Frauen, dass wir ihre Verletzungen und Erniedrigungen sehr ernst nehmen und diese Taten verurteilen und deshalb zukünftig Menschen vor Eingriffen in ihren höchstpersönlichen Intimbereich und in ihre sexuelle Selbstbestimmung schützen wollen.
Außerdem hat sich die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, die Istanbul-Konvention umzusetzen und Maßnahmen gegen geschlechtsspezifische und sexualisierte Gewalt gegen Frauen zu ergreifen.
Einig sind wir uns hier alle, dass wir solche Taten zukünftig unter Strafe stellen und die Opfer schützen wollen. In der Sache liegen wir also eng beieinander…
Diskussionen sind jedoch darüber entstanden, wie diese Strafbarkeit in die Systematik des Strafgesetzbuches eingeordnet werden soll.
Dazu für alle Nichtjuristen:
Das Strafgesetzbuch ist aufgeteilt in einen Allgemeinen Teil mit grundsätzlichen Regelungen, die wie wir Juristen sagen „vor die Klammer gezogen werden“ und die für alle nachfolgenden Tatbestände in dem Besonderen Teil anzuwenden sind.
Der Besondere Teil ab § 80 ist in Abschnitte aufgeteilt und nach verschiedenen Rechtsgütern, die verletzt werden können, sortiert, u.a. Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates, der äußeren Sicherheit, die öffentliche Ordnung und – jetzt wird es für die vorliegende Debatte relevant – in den Abschnitten 13: Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung sowie Abschnitt 15: Verletzung des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs.
Ich danke daher zunächst noch einmal der Bundesjustizministerin, dass sie die Gesetzesinitiative ergriffen und einen Entwurf vorgelegt hat.
Eine Strafbarkeitslücke rechtfertigt aber nicht grundsätzlich das Erfordernis eines Straftatbestandes, sondern es muss auch ein besonderes Interesse an der Pönalisierung bestehen. Das ist beim Fotografieren ohne bzw. gegen den Willen von betroffenen Personen in ihre Intimbereiche der Fall.
Die Nacktheit gehört zum intimsten Bereich von Menschen. Die Sachverständige Hanna Seidel als Leiterin der Petition „StopUpskirting“ hat eindrucksvoll geschildert, welche Auswirkungen das Upskirting haben kann.
Die Opfer fühlen Scham, Erniedrigung und Ohnmacht. Sie sehen sich
hilflos Vorwürfen ausgesetzt, sie seien selbst Schuld an dem Vorfall, weil der Rock zu kurz oder die Bluse zu weit offen war.
Nach der Anhörung war für uns nachvollziehbar, dass gerade wenn es um Straftaten, die nicht nur das Recht am eigenen Bild – also systematisch den persönlichen Lebens- und Geheimbereich betreffen, sondern auch die sexuelle Selbstbestimmung, dass dann die Perspektive der Opfer entscheidend sein sollte – und diese begreifen solche Straftaten als einen Eingriff in ihre sexuelle Selbstbestimmung.
Wichtig ist auf jeden Fall, dass zukünftig gilt:
„Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. absichtlich oder wissentlich von den Genitalien, dem Gesäß, der weiblichen Brust oder der diese Körperteile bedeckenden Unterwäsche einer anderen Person unbefugt eine Bildaufnahme herstellt oder überträgt, soweit diese Bereiche gegen Anblick geschützt sind…“
Ein klares Signal an alle Voyeure: Ein kurzer Rock oder Kleid, eine knappe Hose oder ein weiter ausgeschnittenes Oberteil sind keine Einladung zur Selbstbedienung oder Selbstbefriedigung!
Und wer das nicht bereits verinnerlicht hat, wird sich zukünftig einer strafrechtlichen Ermittlung gegenüber sehen!
Ich hätte mir gewünscht, dass wir bei dieser Gelegenheit auch die Tatbestände unter Strafe gestellt hätten, wenn Nacktaufnahmen von Personen in einer öffentlichen Dusche, Umkleidekabine, Sauna, etc. ohne oder gegen den erkennbaren Willen angefertigt werden.
Das ist bisher leider nicht geschützt. Es bleibt aber eine weitere Lücke, was wir seitens der SPD-Fraktion sehr bedauern, aber hier hat der Koalitionspartner zugesagt, zwar mehr Zeit auf diese Regelung zu verwenden, letztendlich diese Strafbarkeitslücke aber ebenfalls beseitigen zu wollen.
Täter müssen sich als Täter fühlen!
Ich bin gespannt verehrte Kolleginnen und Kollegen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!