2./3. Lesung eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches
Effektivere Bekämpfung von Nachstellungen und bessere Erfassung des Cyberstalkings
24.06.2021 im Deutschen Bundestag
Sehr geehrter Herr Präsident/ geehrte Frau Präsidentin,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
erstmals im Jahr 2007 wurde der Tatbestand der Nachstellung unter Strafe gestellt. Wir bezeichnen ein solches Verhalten auch als Stalking, was wörtlich übersetzt „Anschleichen, Anpirschen“ oder „Umkreisen der Beute“ bedeutet. Umfasst wird das wiederholte Terrorisieren, Belästigen, Bedrohen oder Verfolgen einer anderen Person gegen deren Willen. Zuvor konnte ein solches Verhalten nur über andere Straftatbestände verfolgt werden, sofern beispielsweise Drohung, Nötigung oder Hausfriedensbruch gleichzeitig verwirklicht wurden. Allzu oft bestand jedoch eine Strafbarkeitslücke und die Taten blieben ungesühnt.
Was macht Stalking mit den Opfern? Oft kennen sich Opfer und Täter, sind ehemalige Ehe- oder Lebenspartner*innen, manchmal handelt es sich auch um nur flüchtig Bekannte oder um Prominente, die von ihren Fans verfolgt werden.
Die Opfer erleiden Eingriffe in ihre Privatsphäre, wissen nicht, wann der nächste Übergriff erfolgt und wo, das kann zu Panikattacken, Angst, Schreckhaftigkeit, Schlafproblemen, bis hin zu Verlust von Lebensqualität und Lebensfreude kommen.
Ein Opfer beschreibt die Situation wie folgt: „Er verfolgte jeden meiner Schritte. Raus aus diesem Ausgeliefertsein war ein steiniger Weg, doch ich hab‘s geschafft.“
Warum erwähne ich das?
An dieser Stelle möchte ich einmal auf die Hilfsangebote hinweisen, die Opfer bei der Bewältigung ihrer Verletzungen unterstützen. Für die Opfer wird die Normalität nämlich nicht nur allein dadurch wieder erreicht, wenn Täter verfolgt und bestraft werden. Stalking wird z.B. von der Organisation „Weisser Ring e.V.“ als Gewaltverbrechen charakterisiert. Fast 12 % aller Deutschen leiden im Laufe ihres Lebens unter Nachstellungen. Die Täter sind zu 80 % Männer. Deshalb bedarf es bereits oft schon Hilfestellung und Begleitung, um überhaupt die Tat anzuzeigen, gegebenenfalls gegen den Täter auszusagen und dann wieder angstfrei in den Alltag zurückzukehren. „Ich hab’s geschafft.“ – Alleine ist das meist gar nicht zu schaffen. Deshalb sind diese Hilfsangebote so wichtig und bedürfen der Aufmerksamkeit und Wertschätzung dieser Arbeit.
Mit diesem Gesetz verstärken wir unsere Bemühungen im Kampf gegen Nachstellung, unter anderem
1. indem wir die Strafbarkeitsschwelle absenken und die Tatbestandmerkmale „schwerwiegend“ und „beharrlich“ in „nicht unerheblich“ und „wiederholt“ ändern,
2. indem wir aus einem Antragsdelikt ein Offizialdelikt machen, d.h. die Ermittlungen werden aufgenommen, wenn die Behörden Kenntnis von dem Vorfall erhalten, eines Strafantrages des Opfers bedarf es nicht mehr,
3. und indem wir erstmals einen strafrechtlichen Rahmen zur Bekämpfung auch von Nachstellungen im Netz schaffen, dem Cyberstalking, wenn als Tathandlung zulasten des Opfers personenbezogene Daten ausgespäht, erhoben oder sich verschafft werden unter Verwendung technischer Mittel oder Passwörter des Opfers gemäß den §§ 202a bis c StGB,
- Abschließend möchte ich die Anpassung des Strafrahmens des § 4 Gewaltschutzgesetz nicht unerwähnt lassen. Die Erhöhung des Strafrahmens auf zwei Jahre entspricht dem angemessenen Unrechtsgehalt der Taten und führt dazu, dass die Regelung ihre sozialpräventive Wirkung besser entfalten kann. Das hat die Anhörung zum vorliegenden Gesetzentwurf ergeben, weshalb wir die Gelegenheit nutzen, das Strafrecht auch im Hinblick auf die strafrechtliche Bewertung einzelner Taten zu harmonisieren.
Hierdurch wird der Opferschutz in erheblicher Weise verbessert.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit diesem Gesetz schärfen wir auch den strafrechtlichen Schutz gegen Zwangsprostitution, indem wir auch unter Strafe stellen, wenn ein Täter (Freier) bei der sexuellen Handlung zumindest leichtfertig verkennt, dass die Prostituierte Opfer eines Menschenhandels oder Zwangsprostitution geworden ist. Die Aufnahme der leichtfertigen Begehung soll die Opfer noch besser schützen, wenn dem Täter z.B. durch die Umstände aufdrängen muss, in welcher Lage sich die Prostituierte befindet – anhand des Ortes der Kontaktaufnahme, besonders jugendlichen Alters, Einschüchterung durch Dritte, Bezahlung an Dritte, Verständigungsschwierigkeiten.
Gleichwohl möchte ich für meine SPD-Fraktion an dieser Stelle erklären, dass wir damit noch längst nicht zufrieden sein werden und weitere Änderungen verlangen, um insbesondere Frauen vor Zwangsprostitution zu schützen und Freier zu bestrafen sowie Ausstiegsmodelle und entsprechende Beratungsstellen wesentlich besser zu unterstützen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!